Chris Whiteman im Interview

geschmackvolles Spiel in Vollendung

“Die Lyrics eines Stückes zu kennen, hilft mir mit einer gesanglicheren Phrasierung zu spielen”

Chris Whiteman im Interview mit Dino Wurtinger

Klick … kurz reinhören .. – noch ein Klick … warte – was ist das? Manchmal bleiben wir beim abendlichen “youtuben” einfach hängen und sind begeistert. So bin ich das erste mal auf Chris Whiteman aufmerksam geworden. Ohne Chris’s YouTube Channel wäre ich wohl nie in den Genuss dieses grandiosen Musikers gekommen.

Chris studierte klassische Gitarre am Virginia College of Music und machte seinen Master in Jazzgitarre an der University Miami, an der er auch nach seinem Studium als Vollzeitdozent tätig wurde. Er spielte mit Grammy nominierten Künstlern und ist aktuell musikalischer Leiter und Gitarrist von Wyatt Michael (The Voice 21)

Live Album mit 2 Tape Recorder = atemberaubender Klang

Vor kurzem veröffentlichte Chris sein erstes Debütalbum. Mit Jonah-Kane West an der Orgel und Aaron Binders an den Drums präsentiert sich Chris Whiteman in einem alt bewährte Setting a la Wes Montgomery. Sein Spiel ist geprägt von geschmackvollen Melodien, einem Time-Feel zum wohlfühlen, exzellenter Swing Phrasierung und einem atemberaubenden Tone. Ganz verankert in der Tradition und dennoch frisch und lebendig – so macht Jazz hören spaß. Man kann kaum glauben das dieser grandiose Klang live aufgenommen wurde – und das mit einem 2 Band Recorder aus den 60er Jahren.

Das Interview

Dino: Hallo Chris, danke, dass du dir die Zeit nimmst über deine Musik sowie dein Leben als Musiker und Lehrer zu reden.

Es war nicht ganz einfach für mich herauszufinden, wo du momentan lebst und arbeitest. Ich sah aber, dass du eine Menge Konzerte in New York gibst – unter anderem mit der Sängerin Veronica Swift. Unterrichtest du immer noch an der Universität in Miami? Bist du in einer bestimmten lokalen Musikszene aktiv?

Chris: I verlaß Miami 2008. Es ist also eine weile her seit ich in Miami unterrichtete. Momentan lebe ich außerhalb von Richmond, Virginia. Corona hat die lokale Szene zum erliegen gebracht – doch vor der Pandemie habe ich oft lokale Konzerte gegeben. In der letzten Zeit habe ich die meisten Konzerte auf Tour mit Veronica Swift gespielt. Vor einigen Wochen haben wir 8 Shows im Blue Note in New York gespielt. Wenn ich nicht mit ihr auf Tour bin, gebe ich Online Gitarrenunterricht und arbeite als Arrangeur für einen Notenverlag.

Dino: Du studiertest klassische Gitarre. Wie groß ist dein klassischer Einfluss an der Gitarre? Waren deine ersten Schritte an der Gitarre klassisch geprägt – oder bist du wie viele Teenager über Rock Musik zum Jazz gekommen? Hat dir die klassische Ausbildung geholfen deine Fingerstyle Fähigkeiten an der Jazzgitarre zu entwickeln?

Chris: Ich habe mit 13 Jahren angefangen Gitarre zu lernen. Mein Interesse war hauptsächlich Rock und Bluesmusik. Meine Vorbilder waren Jimi Hendrix, Eric Clapton und Jimmy Page. Auf der Highschool bekam ich Gitarrenunterricht von einem wunderbaren klassischen Gitarristen aus Argentinien namens Carlos Pozzi. Ich lernte bei ihm 3 Jahre und begann dann mein klassisches Gitarrenstudium an der Universität in Richmond. Das klassische Gitarrenspiel half mir meine Technik an der rechten Hand zu entwickeln. Ich denke ich habe dadurch mehr Kontrolle über meine Dynamik und Artikulation bekommen.

Dino: Wie kamst du zur Jazzgitarre? Wer waren deine Einflüsse?

Chris: Als ich auf der Highschool war, stürzte ich über das Album Kind of Blue von Miles Davis. Das war das erste Jazz Album welches ich intensiv hörte. Ich verstand überhaupt nicht was da abgeht. Die Harmonien waren so spannend und anders als ich es vom Rock kannte. Ich wurde so neugierig auf Jazz Harmonien und ich wollte dieses Genre erforschen. Damals gab es kein YouTube, so ging ich in die Plattenläden und suchte nach gebrauchten Jazz Alben. Ich hörte mich durch alle Jazz Größen – mit einem leichten Fokus auf Wes Montgomery, George Benson und Jim Hall. Weiterhin transkribierte ich viele Bläser wie Charlie Parker, Miles Davis, Sonny Sitt und Clifford Brown.

Dino: Du bist ein sehr erfahrener Lehrer. Du betreibst auch einen YouTube Kanal, auf dem man viele Informationen, Lehrvideos und Transkriptionen deiner Solo Arrangements finden kann. Ich denke viele Gitarristen haben ein Problem erste Schritte in die Welt des Jazz zu gehen. Stell dir vor ein junger Gitarrist kommt zu dir. Er hat bereits Erfahrungen an der Rock Gitarre und kann ein wenig improvisieren. Welchen Tipp würdest du ihm geben? wo soll er anfangen?

Chris: Als aller erstes würde ich ihm vorschlagen täglich Jazz zu hören. Ich habe öfters Schüler, welche mir sagen sie würden gerne Jazz lernen – aber sie hören überhaupt keinen Jazz. Zuerst musst du die Musik hören um einen Eindruck zu gewinnen. Danach würde ich ihm die typischen Songformen beibringen: Blues, Rhythmn Changes, 32 taktige Standards. Ich würde mit Shell Voicings beginnen. Zuerst ist es wichtig, dass der Schüler die Stücke begleiten kann. Viele Schüler wollen gleich mit der Improvisation beginnen – aber wie willst du über ein Stück improvisieren, wenn du die Akkordfolgen nicht kennst? Ich würde außerdem empfehlen die großen Jazz Ikonen zu transkribieren, vor allem Bebop Spieler. Da sind so viele wertvolle Informationen in den klassischen Jazz Aufnahmen.

Dino: In deinem Fall, ist es mir sehr schwer gefallen eine spezifische Frage über dein Spiel zu stellen. Alles wirkt so ausgecheckt und ist so gut gespielt. Geschmackvolle Melodien, ein tolles Laid-Back Feel und einen der besten Gitarrensounds, welchen ich je gehört habe. Schöne Melodien zu kreieren, ist schwierig zu unterrichten. Es ist nicht so greifbar wie Fragen über Technik oder Skalen – aber hast du irgendeinen Tipp oder eine Übung, wie man es erreichen kann sein Melodiegefühl zu verbessern oder die eigenen Ideen besser auf das Griffbrett zu übertragen?

Chris: Melodien von Standards auswendig zu lernen ist ein guter Weg zu starten. Wie gesagt, viele Schüler wollen diesen Schritt überspringen. Um melodisch zu improvisieren braucht man ebenfalls ein melodisches Vokabular. Dieses Vokabular kann man erreichen indem man viele Jazz-Melodien lernt und auch die Lyrics sich einprägt. Wenn ich daran denke, melodisch zu improvisieren, muss ich gut phrasieren. Die Lyrics eines Stückes zu kennen, hilft mir mit einer gesanglicheren Phrasierung zu spielen.

Dino: Vor Kurzem veröffentlichtest du ein großartiges Live Album – das Chris Whiteman Organ Trio. Ich glaube es ist dein erster Album Release – oder ist es das nicht? Ich persönlich mag Live Alben sehr gerne. Ich weiß von mir selber, dass ich das Gefühl habe vor Publikum anders zu spielen als im Studio oder alleine mit der Band. Was ist deine Erfahrung bezüglich der unterschiedlichen Aufnahmesituation im Studio oder Live auf der Bühne? War das Album fest geplant?

Chris: Ja das Chris Whiteman Trio ist mein erstes Album unter meinem eigenen Namen. Es gibt noch einen weiteren Jazzgitarristen namens Chris Whiteman, welcher vor kurzem ein Album veröffentlichte namens “Walking Away”. Aus irgendwelchen Gründen wird dieses Album aber auch unter meinem Spotify Namen angezeigt – das ist natürlich verwirrend für die Hörer. Ich habe noch ein anderes Album zusammen mit dem Gitarristen Royce Campbell. Er war vor 20 Jahren der Gitarrist von Henry Mancini. Es heißt Campbell/Whiteman Project und wurde vor ein paar Jahren veröffentlicht.

Ich bevorzuge Live-Recordings. Auch wenn ich im Studio bin, mag ich es nicht Kopfhörer zu tragen. Ich fühle mich dann isoliert von den anderen Musikern. Ich möchte im selben Raum wie meine Mitmusiker sein, damit ich höre wie der Klang der anderen Instrumente sich im gesamten Raum ausbreitet. Mein Album wurde auch nur mit einem transportablen 2 Band Recorder aus den 60er Jahren aufgenommen – keine Bearbeitung und kein Mixing. Das Album war auch nicht geplant. Wir nahmen einfach das Konzert auf. Nach ein paar Jahren hörte ich rein und entschied daraus ein Album zu machen.

Dino: Was sind deine musikalischen Pläne für die Zukunft? Was werden wir in Zukunft von Chris Whiteman hören?

Chris: Es gibt immer noch Schwierigkeiten, aufgrund von Corona Auftritte zu planen. Aber momentan merkt man eine leichte Verbesserung. Ich werde weiterhin mit Veronica Swift arbeiten sowie mit dem Sänger Wyatt Michael. Wyatt war bei der letzten The Voice Staffel dabei und wir arbeiten zusammen an einem neuen Album mit ihm. Ich produzierte sein erstes Album in 2019.

Unterrichten ist etwas, was ich wirklich liebe. Ich werde also weiterhin online Unterricht geben. Ich arbeite weiter an meinem eigenem Spiel und hoffe darauf ein Solo Album in der nächsten Zeit produzieren zu können.

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